Francesco Lopes – Alchemist des Lichts
Flecken, Reflexe, Risse, Einrisse aus Licht
und Schatten in einem Konglomerat aus
sich überlagernden Spuren, schwarz, weiß,
grau übersprühte Schriftzeichen
– die Bilder von Francesco Lopes
enthüllen in ihren Rissen und Brüchen
die Erinnerung an eine weit zurück liegende
Vergangenheit, die der Fortschritt
mit seinen illusorischen
Versprechungen verraten hat.
An der Grenze zum Abstrakten beschwören die
immer noch gegenständlichen Fotobilder
des aus Siracusa auf Sizilien stammenden
Künstlers eine parallele Wirklichkeit herauf,
ein Universum von schwebenden Formen,
die wassergetränkt, atmosphärisch, flüchtig
wie Wolken oder wie von Wolken umhüllt wirken.
So die Serie „mistero“ (Mysterium),
in der der Künstler bei seiner poetischen Suche
die Rituale der Volksreligion, das Mysterium
ihrer Bedeutung und Herkunft auslotet,
und das mittels Flecken aus Licht und
Farbe, die ineinander rinnen,
einander durchdringen in freien
und wandelbaren Formen.
Oder in der Serie „madreOscura“ (dunkle Mutter)
und „invinta“ (die Siegreiche,
die Unbesiegbare), in der verzerrte Bilder
unscharfer, überbelichteter Frauengesichter
durch Unebenheiten hindurch auf
Schleiern und Geweben erscheinen,
die an Grabtücher wie das in Turin erinnern.
Lopes verwendet den Fotoapparat wie ein
Skalpell und schneidet damit in das Gewebe
der missachteten Peripherie unseres
Bewusstseins, in die Sicherheit von
Prozessionen und Ritualen,
er vergewaltigt sie und setzt sie in
Schichten wieder zu Traumbildern zusammen,
in denen es sich nach einer vergänglichen,
flüchtigen und nur kurz aufblitzenden
Wahrheit suchen lässt,
einer Wahrheit, die ist wie ein Sonnenstrahl,
der plötzlich die Nebelschwaden durchbricht.
Darin manifestiert sich die Poesie von
Francesco Lopes, diesem Zauberer eines
sanften Lichts, das ätherisch und nicht
fassbar wie der Nebel die Gesichter umhüllt,
die Erinnerungen, die Blicke aus der Vergangenheit
und die Einflüsterungen des Gedächtnisses,
indem er unbestimmte und transparente Bilder
übereinander schichtet, in einer Dimension
zwischen Traum und Wachen. So ist der Betrachter
aufgefordert, sie zu interpretieren,
auf der Suche nach einem erhellenden
Lichtstrahl, einer Bedeutung,
einem religiösen Grund,
der allem einen Sinn gibt.
Übersetzung: Susanne Costa
FRANCESCO SANTORO